Titelblatt "Deutsche Reichs-Bremse"

Die Laterne
Sudenburg-Magdeburg (1846 – 1848)

Deutsche Reichs-Bremse Leipzig (1849 – 1850)
Spitzkugeln Leipzig (1850)
Die Wespe/Die Schildwacht Leipzig/Braunschweig (1851)

zusammen 688 Seiten auf 10 Mikrofiches
1998, ISBN 3-89131-282-2
Silber positiv: EUR 100,– (exkl. MwSt.) / EUR 119,– (inkl. MwSt.)

Ein pressegeschichtlich nicht ganz einfacher Fall: Zu der politisch-literarischen Zeitschrift Der Leuchtthurm, die von 1846 bis 1851 herauskam und zuletzt Die Wartburg hieß, erschien eine Folge von Satire-Beilagen, die in dieser kurzen Zeit, unter und wegen unfreundlicher Mitwirkung der Aufsichtsbehörden, nicht weniger als sechsmal ihren Titel änderte. Alle diese Varianten werden in der vorliegenden Edition zu einer Einheit zusammengeführt.

Am Beginn stand Die Laterne, eine Monatsschrift zur Unterhaltung und Belehrung, die überwiegend Texte und nur wenige Illustrationen enthielt und von 1846 bis 1848 als »Gratis-Beilage zum Leuchtthurm« monatlich mit einer Nummer zu acht Seiten, also relativ selten, erschien. Ausgerechnet im Jahre 1848 wurde sie bereits nach der dritten Ausgabe, im März, eingestellt. Bemerkenswert ist, daß ihr Redakteur Ernst Keil hieß, ein damals politisch heftig engagierter Mann, der nachmals durch die Gründung einer ganz anderen Zeitschrift bekannt wurde, des größten Presseerfolgs seiner Zeit: der Gartenlaube.

Er ließ für die Jahre 1849 und 1850 die schärfste und brisanteste Version dieser Serie folgen, die Deutsche Reichs-Bremse, ein in seinen Karikaturen wie in seinen Glossen und Sottisen gleichermaßen glänzend analysierendes, bösartig präzises Blatt, das der Aktualität halber nun wöchentlich mit vier Seiten als »Beiblatt zum Leuchtthurm« herauskam und aus naheliegenden Gründen seinen Redakteur verschwieg: Unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung E. Keil u. Comp. Nachzuweisen sind zwei verschiedene Ausgaben mit differierender Anordnung der Numerierung sowie eine Reihe von zensurbedingten Sonderausgaben: Einige haben den Nebentitel »Beiblatt zum Leuchtthurm« als Haupttitel, andere greifen auf den vorhergehenden Titel Die Laterne zurück. »Wir finden uns veranlaßt, da die Reichsbremse im Lande der Hohenzollern verboten ist, unsern preußischen Lesern als Ersatz die Latern beizugeben«, wieder andere wurden, ein pressehistorisches Unikum, ganz ohne Titel, nur mit einer Zählung im Kopftitel, ausgeliefert. Deutlich war man auch bei den Sammelbänden: Der Jahrgang 1849 wurde als »Organ für politisch-satyrische Sticheleien« angeboten. Der Jahrgang 1850 als »Bilderbuch für erwachsene Kinder«. Es versteht sich, daß sowohl die eine wie die andere Fassung die Polizei und die Zensur aufhorchen und zu ihr geeignet erscheinenden Maßnahmen greifen ließ, die letzten Endes in die Unterdrückung des Blattes münden mußten.

Deshalb erschienen Ersatzausgaben, nach 1850 die »Spitzkugeln« und 1851, mit weiterlaufender Zählung, Die Wespe, die sich mittendrin für eine Nummer den Titel »Beiblatt zur Wartburg« gab, sowie Die Schildwacht. Mit ihr mußte die Serie in der resignierend stimmenden Landschaft des Nachmärz aufgeben. Von heute aus gesehen, bleibt sie ein ebenso inhaltsreiches wie aufschlußreiches Dokument satirisch kritischer Zeitzeugenschaft.

Alfred Estermann