Aus der Barockbibliothek Nünning

Cover

Sammlung von seltenen Werken zur Kulturgeschichte
202 Drucke mit 36.751 Seiten

Mikrofiche Edition

510 Mikrofiches, 2001, ISBN 3-89131-376-4
Diazo negativ: EUR 2.850,– (exkl. Mwst.) / EUR 3.391,50 (inkl. Mwst.)
Silber negativ: EUR 3.420,– (exkl. Mwst.) / EUR 4.069,80 (inkl. Mwst.)
Katalog (PDF)

Eine der bedeutendsten privaten Buchsammlungen in Norddeutschland

Eine der bedeutendsten privaten Buchsammlungen in Norddeutschland stellt die Barockbibliothek Nünning dar. Sie umfasst über 9.000 Titel und besteht in ihrem Kern aus der privaten Büchersammlung des Barockgelehrten und Historiographen Jodokus Hermann Nünning. Die autopsiegestützte Katalogisierung dieser ebenso schönen wie wissenschaftlich wertvollen Sammlung wurde in den vergangenen Jahren durch die Abteilung »Historische Bestände in Westfalen« an der Universitäts- und Landesbibliothek Münster durchgeführt. Dies konnte durch die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Förderschwerpunktes »Erschließung von Spezialbeständen« geschehen – Zeichen auch der Wertschätzung, die man von Seiten der Wissenschaft dieser Sammlung entgegen bringt.

Der Barockgelehrte Jodokus Hermann Nünning

Jodokus Hermann Nünning wurde 1675 als Sohn des Gaugrafen und Richters Heinrich Nünning in Schüttorf geboren. Wohl weil er als Kind eine nur schwach entwickelte Gesundheit hatte, erhielt er nach kurzem Schulbesuch im elterlichen Hause Privatunterricht von einem Jesuiten. Ausgerüstet mit hervorragenden Lateinkenntnissen studierte er anschließend an der Akademie zu Münster und der Hohen Schule zu Steinfurt Rechtswissenschaften und schloss einen zweijährigen Studienaufenthalt an der Universität im protestantischen Helmstedt an, bevor er sich – finanziell unabhängig aufgrund betuchter Eltern – auf einer ausgedehnten Bildungsreise durch Europa den schönen Wissenschaften widmen konnte. Nachdem er fünf Jahre lang Italien und Frankreich, wo er sich umfangreiche Kenntnisse in der antiken Numismatik aneignen und seine Münzsammlung erheblich erweitern konnte, Belgien und die Niederlande bereist und in Orléans den Doktor der Rechte erworben hatte, kehrte er nach Schüttorf zurück in der Absicht, sich kurze Zeit später in Münster als praktischer Jurist zu betätigen. Welchen Ertrag die ungewöhnlich lange Bildungsreise gehabt hat, macht folgende Aussage deutlich: »Neben der Beherrschung der italienischen, französischen und niederländischen Sprache, in denen er abgesehen vom Deutschen und Lateinischen korrespondierte, zuweilen auch Tagebucheintragungen vornahm, hat sie [die Studienreise] seinen wissenschaftlichen Impetus für die Altertümer, Bücher, Handschriften, Münzen, Archäologie, Urkunden, Siegel, bedingt auch für die Naturwissenschaften stimuliert und entwickelt« (Frese, S. 61).

Schnell stellte Nünning fest, dass ihm die praktische Tätigkeit als Jurist nicht zusagte, und beschloss, eine weitere Bildungsreise zu unternehmen. Von Wien gelangte er nach Preßburg und Raab, anschließend nach Nürnberg, Dresden und Berlin. Nachdem er noch in Frankfurt an der Oder geschichtliche und juristische Vorlesungen gehört hatte, ging er nach Minden, wo man ihm ein Kanonikat verliehen hatte, das er allerdings kurz nach Besichtigung der örtlichen Verhältnisse auch schon wieder aufgab. 1705 wieder in Schüttorf angelangt, sollte er das Amt eines Richters übernehmen, das er jedoch ausschlug und seinem jüngeren Bruder überließ, da er sich endgültig für den geistlichen Stand entschieden hatte. 1706 trat er in das Stift Vreden ein, wo er als Stiftsherr eine Präbend und die vakante Stelle als Scholaster erhielt. 1707 empfing er die Subdiakonatsweihe und wurde später Senior es Stifts. Als Oberer übernahm Nünning die Aufgabe, anlässlich einer Visitation das Archiv des Stiftes zu ordnen. Drei Jahre danach beauftragte man ihn mit der Bearbeitung des Archivs der Stadt Borken, das er so vorbildlich verwaltete, dass er 1743 zum Kirchenrat ernannt wurde.

In seinen Studien, die er seit 1710 vorwiegend auf seinem von ihm selbst mit Tusculum Nunningiorum bezeichneten Landsitz Wieckinghoff in der Nähe von Borken betrieb, interessierte sich Nünning vornehmlich für lokalhistorische Themen und für die Topografie des Münsterlandes. Er erwarb sich einen guten Ruf als ausgezeichneter Kenner der Landesgeschichte Westfalens, die er methodologisch als erster auf die Analyse nichtschriftlicher Monumentalquellen stützt. So handelt z.B. seine 1713 erschienene archäologische Abhandlung Sepulcretum Westphalico-Mimigardico-Gentile von Bestattungsriten in der Region Westfalen. Für diese noch 1855 ins Deutsche übersetzte Arbeit gewann Nünning Erkenntnisse durch die Auswertung zahlreicher Urnen- und Grabfunde.

Ferner kennzeichnen eine intensive Korrespondenz mit zahlreichen Gelehrten und die Leidenschaft für die Numismatik, die sich in einer umfangreichen, aber leider bei einem Raub verlorengegangenen Münzsammlung spiegelt, seine Biografie. Ein umfänglicher Briefwechsel mit Buchagenten und -händlern sowie der Umstand, dass er gezielt Bücher aus Antiquariatskatalogen erwarb, zeigen seine bibliophile Neigung. Den Lebensabend verbrachte Nünning auf seinem Landsitz Wieckinghoff, wo er 1753 als 78-jähriger starb.

Die Büchersammlung Nünnings

Die Bibliothek Nünnings, die gemäß eigenen Willens ursprünglich Grundlage der (noch zu begründenden) Universitätsbibliothek in Münster hatte werden sollen, weist eine ausgesprochene Universalität auf. Ein Indiz dafür ist einerseits die sprachliche Verteilung der Werke: 42% sind in deutscher Sprache abgefasst, 46% in der lateinischen Gelehrtensprache, 6% auf Französisch und beachtliche 6% auf Niederländisch. Am Ende seines Lebens konnte Nünning über 2.200 Titel, darunter viele Sammelbände, in einem eigenen Katalog zusammenfassen, das Kleinschrifttum noch nicht mitgezählt. Einen wichtigen Schwerpunkt bildet die historische und numismatische Literatur; die vielen juristischen Werke dürften wohl noch aus der Bibliothek seines Vaters stammen. Da sich in den meisten Büchern handschriftliche Annotationen Nünnings finden, darf man davon ausgehen, dass er die Werke nicht nur gelesen, sondern – motiviert durch wissenschaftlichen Impetus – regelrecht durchgearbeitet hat. Zudem versah er die Werke mit seinem aufwändig gestalteten Exlibris, das den Wahlspruch »Dominus providebit« (Der Herr sorgt vor) trägt.

Die Sammlung: Universalität und Spezialistentum

Die Sammlung zeichnet sich insgesamt durch Universalität aus. Universal wie der Sammler, stellt sich uns auch heute die Universalität der Sammlung dar. Neben die allgemeine Literatur treten die biografischen (Leichenpredigten, Briefe, Memoiren) und genealogischen Abhandlungen. Als große Sachgruppe ragt die Geschichte mit ihren historischen Hilfsdisziplinen Numismatik, Heraldik, Diplomatik, Chronologie und Rhetorik heraus, weiterhin die Kulturgeschichte, in welcher sich Literatur zu Sitten und Bräuchen, Religion, Alltag, Essen und Trinken, Tabakgenuß, Mode und Höflichkeit, Briefsteller, aber auch zur Magie und zum Freimaurertum finden. Bei der Theologie stehen die Kirchengeschichte und das kanonische Recht an erster Stelle beim Sammelinteresse, daneben Dogmatik und Moraltheologie sowie Kontroverstheologie. Staatswissenschaften und Kameralistik, Staats- und Verfassungswesen schließen sich an, des weiteren bilden die Bereiche Gartenbau, Reitkunst, Forst- und Jagdwesen sowie Fischerei eine zwar kleine, aber mit hervorragenden Stücken ausgestattete Sammlung. Groß ist auch der Anteil an literaturwissenschaftlichen Büchern (Rhetorik, Poetik, Stilistik) sowie Ausgaben der lateinischen Klassiker, außerdem Reisebeschreibungen und ein beachtlicher Fundus an Werken zur Naturkunde, v.a. zu Metallurgie und Geognosie.

Die Mikrofiche Edition von seltenen Werken

Die Mikrofiche Edition von seltenen Werken stellt die Kulturgeschichte in den Vordergrund, weil diese für Wissenschaft und Forschung die wertvollsten Materialien bereitstellt. Dies gilt insbesondere für die interdisziplinär arbeitende historische und volkskundliche Forschung. Die Edition macht somit zahlreiche ältere, wertvolle und schützenswerte Drucke einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich, insbesondere Literatur zu Sitten und Gebräuchen, Magie, Kabbalistik, Chronologie. Einen weiteren Schwerpunkt der Edition stellt die personenbezogene Literatur dar: Biographien, Leichenpredigten (mit biographischen Anhängen), genealogischen Schrifttum.

Reinhard Feldmann