Philanthropinum Dessau
3.125 Blatt Nachlass auf 78 Mikrofiches
160 Bände Druckschriften mit insgesamt 56.000 Seiten auf 420 Mikrofiches
Mikrofiche Edition
1999, ISBN 3-89131-358-6
Diazo negativ: EUR 3.530,– (exkl. Mwst.) / EUR 4.200,70 (inkl. Mwst.)
Silber negativ: EUR 4.236,– (exkl. Mwst.) / EUR 5.040,84 (inkl. Mwst.)
Katalog: Nachlass | Drucke
Die Edition ist durch einen »Katalog auf CD-ROM« erschlossen, der ein detailliertes Nachlassverzeichnis (mit Registern zu Personen, Titeln, Sprachen und Orten) und ein Verzeichnis der Druckschriften enthält. Er kann beim Verlag angefordert werden.
Das Philanthropinum
Am 27. Dezember 1774 eröffnete Johann Bernhard Basedow feierlich eine »Schule der Menschenfreundschaft«
(Philanthropinum), wie er das Institut in der Schrift »Das in Dessau errichtete Philanthropinum, eine Schule der Menschenfreundschaft und guter Kenntnisse für Lernende und junge Lehrer [...]«, Leipzig 1774, mit der er für das Experiment warb, selbst nannte. Neben Basedow unterrichtete an dem neuen Institut auch Christian Heinrich Wolke (17411825), der später auch die Leitung übernehmen sollte. Ein »Unterlehrer« und drei Schüler, darunter Basedows Tochter Emilie, die später durch ihr immenses Wissen auffiel, gehörten zum Beginn der Musterschule. Das Philanthropinum gewann rasch große Aufmerksamkeit weit über Dessaus Grenzen hinaus. Die Anzahl von Lehrern und Schülern wuchs, aber viele interne Querelen, die auch mit der schwierigen Persönlichkeit des Gründers zusammenhingen, trübten den Erfolg der Schule.
Basedow hoffte auf finanzielle Unabhängigkeit von Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, der ihn ursprünglich nach Dessau gerufen hatte, und von seinen Pensionisten. Weltweit suchte er nach Gönnern zur Unterstützung seiner Arbeit in Dessau. Auch wenn dieses Bemühen nicht völlig umsonst war, konnte das Philanthropinum nicht auf die Hilfe des Fürsten verzichten. Dessen finanzielle Zuwendungen und die Überlassung des »Palais Dietrich« waren für die Schule entscheidend. Das größere Gebäude, eine erneute gute Werbung für das Haus durch ein öffentliches, stark beachtetes Examen 1776 sowie die Abgabe der Leitung durch Basedow, der sich nur noch der theoretischen und schriftstellerischen Arbeit widmen wollte, läuteten eine neue Phase der Konsolidierung ein. Unterschiedliche Ansichten über Erziehungsziele und -methoden der Lehrer, persönliche Animositäten, Schwierigkeiten mit Schülern und den Widrigkeiten des Alltags belasteten das Philanthropinum jedoch auch weiterhin.
Bedeutende Namen sind mit dieser Schule verbunden. So übernahm 1776 der Pädagoge Joachim Heinrich Campe (1746–1818) die Leitung des Philanthropinums von Basedow. Der durch die Aufklärung geprägte Campe geriet jedoch bald mit den vom Straßburger Kreis beeinflußten, aus dem Elsaß stammenden Junglehrern, die die Ideen des Sturm und Drang vertraten, in Konflikt, und dieser belastete ihn so, da er nach nur einem Jahr fluchtartig die Stadt verließ. Campe kann als der Schriftsteller der Philanthropen gelten; zum einen, weil er die 16bändige »Allgemeine Revision des gesamten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher« herausgab, die als wichtigstes pädagogisches Werk des 18. Jahrhunderts gilt, vor allem aber auch, weil er mit Werken wie z.B. »Robinson der Jüngere« oder »Die Entdeckung Amerikas« der Begründer der Gattung der Jugendliteratur ist. Auch Ernst Christian Trapp (1745–1818), der erste Professor der Pädagogik (ab 1779 in Halle), unterrichtete kurze Zeit am Philanthropinum. Mit seiner wichtigsten Schrift, Versuch einer Pädagogik von 1780, versuchte er alle grundsätzlichen Einsichten systematisch zusammenzufassen.
Als die Schülerzahl im Philanthropinum zu sehr sank, wurde es 1793, ohne daß dies noch große Aufmerksamkeit erregt hätte, geschlossen. Die Anstöße aber, die von dieser Schule ausgingen, führten zur Gründung weiterer Musterschulen, und die positive wie kritische Rezeption ihrer neuen Ansätze beeinflußte die weitere Pädagogik und Schulentwicklung entscheidend.
Im aufgeklärten Absolutismus des Fürsten Franz in Anhalt-Dessau gingen nach dem Ende des Philanthropinums die Bestrebungen nach einer dauerhaften grundsätzlichen Reform des Schulwesens weiter. Carl Gottfried Neuendorf (1750–1798), der bereits am Philanthropinum unterrichtet hatte, begründete 1786 in Dessau die Hauptschule, eine reformierte Schule, die die Zeit der Privat- und Winkelschulen beenden sollte. Diese und andere Schulen, wie etwa die von Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811) begründete und bis heute bestehende Schule in Schnepfenthal, waren durch das Philanthropinum maßgeblich beeinflußt.
Der Nachlass
In den zwanziger Jahren übernahm die Landesbücherei Dessau, in der sich bis heute ein beachtlicher Bestand pädagogischer Literatur des 18. Jahrhunderts erhalten hat, den Nachlass des Philanthropinums, die »reliquiae philanthropini«. Neben Quellen, die es an anderen Orten zum Philanthropinum gibt, kommt dem noch relativ unbekannten Material der Dessauer »reliquiae« eine besondere Bedeutung zu. Denn hier sind insbesondere Quellen für die Phase der Institutionalisierung nach den ersten Anfängen zahlreich zu finden. Erstaunlich ist die Beobachtung, daß die aufklärerischen Pädagogen um Basedow, Campe und Wolke in den Materialien zahlreicher vertreten sind als die jungen elsässischen Lehrer, die mit ihren anderen Ansichten durchaus Unruhe in die Musterschule brachten. Neben Briefen berühmter Zeitgenossen wie Matthias Claudius, Georg Forster, Johann W. L. Gleim, Immanuel Kant, Friedrich G. Klopstock, Adolf F. Knigge und Friedrich Nicolai sind auch viele Briefe von Eltern vorhanden. Interessant ist die Beobachtung, mit welchen Karrierehoffnungen für die Sprößlinge die Eltern den Philanthropinum-Schulbesuch verbanden. Das tägliche Leben am Philanthropinum läßt sich ebenfalls veranschaulichen:
Rechnungen, Haushaltsbücher, Auflistungen über benötigte Tischwäsche usw. sind im Nachlass zu finden. Die Meritenbücher sowie die Hausordnung sind für die oft sehr kontrovers diskutierte Frage der Gängelung der Zöglinge durch die Lehrer oder auch ihrer (angeblich) zu großen Freiheit sehr gute Quellen. Abseits der bloßen Theorie der methodischen Standardwerke der Pädagogen Basedow, Campe oder Trapp geben mehrere Unterrichtsberichte der Lehrer (zum Sprachenunterricht u.a.) Auskunft über die tatsächliche Unterrichtspraxis. Auch mehrere Übungen von Schülern sind vorhanden.
Der Nachlass ist in fünf Hauptgruppen gegliedert:
- Meritenbuch u.ä.
- Finanzen/Verwaltung des Philanthropinums
- Unterrichtsberichte; Briefe von Lehrern und Schülern u.a. zum Schulalltag
- Briefe von Eltern und Schülern; Schülerübungen
- Briefe von Eltern und Lehrern
Die Drucke
Die Mikrofiche Edition zum Philanthropinum enthält nicht nur den Nachlass, sondern auch gedruckte Werke aus dem Umfeld des Philanthropinums (etwa von Basedow, Campe, Wolke und Salzmann) aus dem Bestand der Anhaltischen Landesbücherei.
Aufgenommen wurden die Standardwerke der Philanthropen (Elementarwerk, Methodenbuch, Allgemeine Revision) sowie die von den Philanthropen herausgegebenen Zeitschriften (Pädagogische Unterhandlungen, Philanthropisches Archiv). Auch die kleineren Werke der Philanthropen, deren Verbreitung eher gering ist, wurden aufgenommen. Der zeitliche Rahmen der aufgenommenen Werke erstreckt sich über die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Die Mikrofiche Edition zum Dessauer Philanthropinum macht die Dessauer Nachlassmaterialien und Publikationen der Philanthropen in einer einzigen Edition verfügbar. Für die Forschung bedeutet dies eine erhebliche Vereinfachung des Zugangs zu erstrangigen Quellen.