Theaterstückesammlung Pfetten

Theaterstückesammlung Pfetten

1.809 Werke mit 220.000 Seiten,
incl. MAB2- bzw. UNIMARC/USMARC-Daten und Katalog.

Mikrofiche Edition

2.881 Mikrofiches, 2003, ISBN 3-89131-450-7
Diazo negativ: EUR 15.900,– (ohne Mwst.) / EUR 18.921,– (inkl. Mwst.)
Silber negativ: EUR 19.080,– (ohne Mwst.) / EUR 22.705,20 (inkl. Mwst.)
Katalog

Der Katalog zur Sammlung Pfetten ist separat erhältlich:
320 Seiten, Leinen, Fadenheftung
2004, ISBN 3-89131-412-4, EUR 96,–

Theaterstückesammlung Baron de Pfetten (1750–1802) in der Universitätsbibliothek München

»Das 18. Jahrhundert war in Deutschland eine große Theaterzeit.« (Hans Knudsen)

Für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts bewahrt die Universitätsbibliothek München eine umfangreiche und wertvolle Sammlung: ca 1.800 größtenteils deutschsprachige Theaterstücke in 446 Oktavbänden. Es handelt sich hierbei um die Bibliothek eines Privatmannes, des »Baron de Pfetten«, wie ein eingeklebtes schlichtes typographisches Exlibris erkennen läßt; sehr wahrscheinlich verbirgt sich dahinter der kurbayerische Kämmerer Johann Ignaz von Pfetten (1719–1803). Die Theaterstückesammlung ist bereits Anfang des 19. Jahrhunderts (in der Landshuter Zeit 1800–1826 der Ludwig-Maximilians-Universität vor der Verlegung nach München) in die Universitätsbibliothek gelangt und dort bis heute geschlossen aufgestellt. Nach vereinzelten Titeln aus den Jahren 1735, 1745 und 1748 setzt die Sammlung mit dem Erscheinungsjahr 1750 ein, um dann bis 1802 kontinuierlich jährlich durchschnittlich etwa 25 bis 30, später 35 bis 40 Theatertexte aufzuweisen. Die Gattung, der das jeweilige Stück angehört, hat Baron Pfetten im Einbanddeckel vermerkt. Gemäß dem Bühnenrepertoire der Zeit dominieren »Lustspiele«, sie machen mindestens 40 Prozent aus; »Komoedien und anderen unterhaltlichen Büchern« (wie es in seinem handschriftlichen Katalog von 1784 heißt) galt offenbar auch die Begeisterung des Sammlers. Es folgen »Schauspiele« mit über 25 Prozent und »Trauerspiele« mit 20 Prozent. »Oper«, »Singspiel« und »Operette« sind mit zusammen etwa 130 Titeln weniger vertreten, allerdings mit steigender Tendenz im Verlauf des halben Jahrhunderts. Einige »Familien-« und »Sittengemälde«, »Ritterspiele«, »Schäferspiele«, »Faschingsstücke«, »Possen« und »Ballette« sowie etwa 25 »Schauspiele für Kinder« bzw. »junge Leute« oder »Dramen für Knaben« bzw. »Jünglinge« runden das Spektrum ab. Auf vielen Stücken hat der Sammler übrigens handschriftlich auch einen Kaufpreisvermerk eingetragen.

Die Texte sind überwiegend deutschsprachig, verschiedene zweisprachige Ausgaben sind ebenfalls vorhanden. Deutsche Autoren bzw. Bearbeiter dominieren auch bei weitem. Die gefeierten Werke der Klassiker Klopstock, Lessing, Goethe und Schiller sind zwar vorhanden, sie spielen aber – ebenso wie im Repertoire der damaligen Bühnen – eine eher marginale Rolle. Erfolgsautoren und Vielschreiber der Zeit sind selbstverständlich auch in der Sammlung stark vertreten, unter anderem Johann Christian Brandes, Christoph Friedrich Bretzner, Friedrich Gustav Hagemann, Karl Friedrich Hensler, A. W. Iffland, Johann Friedrich Jünger, Johann Christoph Kaffka, A. v. Kotzebue, F. L. Schröder, Julius Graf v. Soden, Christian Heinrich Spieß, G. Stephanie d. J., C. A. Vulpius und Friedrich Wilhelm Ziegler.

Einen besonderen Wert aus heutiger Sicht erhält die Sammlung Pfetten allerdings durch Hunderte von weiteren Autoren und Übersetzern, die, obwohl inzwischen kaum oder gar nicht mehr bekannt, doch mit zahlreichen Texten vertreten sind, beispielsweise Andreas Joseph von Guttenberg, Johann Georg Heubel, der kurpfälzische Kammerherr J. G. von Nesselrode, der Postamtswalter von Lindau Andreas K. G. Raufer, der Burghausener Regierungsrat Joseph Valentin Speckner oder der Celler Schulrektor Johann Heinrich Steffens. Hierzu rechnen auch Personen, die auf anderen Gebieten berühmt geblieben sind, etwa der Bücherzensor und Esoteriker Karl von Eckartshausen oder der Erfinder der Lithographie Alois Senefelder mit seinen beiden Lustspielen »Die Mädchenkenner« und »Mathilde von Altenstein oder die Bärenhöhle«. An schriftstellernden Frauen sind neben der berühmten Luise Adelgunde Victorie Gottsched mit Dramen vertreten: Susanne Bandemer, Elise Bürger, Catharina von Hesse, Elise Müller, Maria Anna Antonia Sternheim und Marianne Sophie Weihard. Wie für Zeit und Gattung üblich, ist allerdings ein erheblicher Anteil der Texte anonym erschienen.

Obwohl überwiegend deutschsprachig, repräsentiert die Bibliothek, dem Geist des Jahrhunderts entsprechend, auch die Theaterblüte des benachbarten Auslandes, allerdings mit deutlich abnehmender Tendenz: So sind mindestens 210 der Texte nach französischen Vorlagen »übersetzt«, »frei übersetzt«, »entlehnt«, »frei bearbeitet«, »nachgeahmt« usw., wie die Formulierungen der Titelblätter und Vorworte erkennen lassen. Neben Molière mit seinen Komödien sind häufiger vertreten Beaumarchais, Corneille, Diderot, Legrand, Marmontel, Mercier, Racine, Voltaire. Italienische Vorlagen sind mindestens bei 90 Texten nachzuweisen: Neben Goldoni mit seinen sämtlichen Lustspielen dominiert Pietro Metastasio, erwähnenswert sind noch Carlo Gozzi, Scipione Maffei und G.B. Fagiuoli. Genauso zahlreich sind Übertragungen aus dem Englischen: selbstverständlich Shakespeare und unter den zeitgenössischen Autoren vor allem Henry Fielding. Aus dem Dänischen sind die Lustspiele des Ludwig von Holberg vorhanden. Vereinzelt schließlich stehen Adaptionen aus dem Lateinischen (Plautus), Spanischen (Calderon) sowie Russischen (darunter Der Familienzwist der Zarin Katharina II.).

Der regionale Schwerpunkt der Sammlung Baron Pfetten liegt im deutschsprachigen Süden: Wien und München sind häufigste Druck- und auch Aufführungsorte der Theaterstücke. Zwar ebenfalls zahlreich, aber bereits weniger vertreten sind die beiden Messestädte Leipzig und Frankfurt sowie – nicht nur durch die Deutsche Schaubühne – Augsburg; danach folgen Mannheim, Berlin, Köln, Hamburg und Breslau. Für die Theatergeschichte aufschlußreich sind Hunderte von Aufführungshinweisen, teilweise mit Datum: »geschrieben für das«, »zum Gebrauche des« oder »aufgeführt auf dem kurfürstlichen Theater« oder anderen Bühnen in München, den Wiener Theatern (»zu finden beym Logenmeister«), zu Augsburg, Amberg, Köln, Mannheim, Mainz, Regensburg oder Sondershausen. Zuweilen wird die Neugier des Publikums auch angeregt durch Andeutungen von Zensur anderenorts: »Nicht aufgeführt im Kaiserlich Königlichen Nationaltheater« in Wien oder »wie es auf dem Prager Nationaltheater nicht aufgeführt worden«.

Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Jahre um 1800 sind für die deutsche Literatur- und Theatergeschichte eine außergewöhnlich bedeutende und ertragreiche Epoche. In der Bibliothek des Baron Pfetten spiegelt sich nicht nur die persönliche Theaterleidenschaft ihres Besitzers, sondern sie ist zugleich eine reiche Quelle für das Drama der Aufklärungszeit. Als eine der größten Sammlungen ihrer Art und Zeit in Deutschland enthält sie zahlreiche äußerst seltene, teilweise in anderen Bibliotheken überhaupt nicht nachweisbare Titel bzw. Ausgaben. Deren maschinenlesbarer Nachweis hat daher in den letzten Jahren zu einer steigenden Benutzung vor Ort, zu wachsenden Bestellungen über die Fernleihe und vor allem zu Kopierwünschen geführt. Das hat die Universitätsbibliothek München auch aus konservatorischen Gründen veranlaßt, den Harald Fischer Verlag zu einer Mikrofiche Edition dieser umfangreichen und bedeutenden Theaterbibliothek anzuregen, womit die komplette Sammlung auch an anderen Bibliotheken verfügbar und damit der internationalen Forschung leichter zugänglich wird.