Peter Schöffer: »Herbarius Latinus«

Mainz, 1484
Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (Sammlung Trew)

1 CD-ROM für Mac/PC; PDF-Format
ISBN 3-89131-430-2
EUR 28,–

Vorschau

Der Herbarius Maguntie Impressus von 1484 ist das erste illustrierte Buch der Kräuter und Heilmittel, das in Deutschland zur Inkunabelzeit gedruckt worden ist. Er gilt gleichsam als die „Gutenbergbibel“ unter den Herbarien: Herausgegeben hat ihn Peter Schöffer (1430-1502/03), der sein Handwerk dreißig Jahre zuvor als Mitarbeiter beim Mainzer Bibeldruck gelernt und sich um 1455 herum, als Johann Fust seinem Schuldner Johannes Gutenberg per Prozeß die Offizin abtrotzte, mit dem neuen Inhaber zusammengetan hatte.

Der Herbarius entstammt also einer prominenten Druckerpresse und bezeugt, wie sich bereits die Druck-„Industrie“ der ersten Stunde – nach zunächst religiösen, dann antiken philosophischen Texten – den Themen der weltlichen Lebenspraxis zuwandte. Als Handbuch zur Selbstmedikation richtete sich der Herbarius in griffigem Quartformat und einfachem Latein an Menschen, die keinen Zugang zu Ärzten und kein Geld für Apotheken hatten. Sein erster (und Haupt-)Teil stellt in 150 Kapiteln und ebenso vielen Holzschnitten die gängigsten Heilpflanzen Mitteleuropas und ihre Wirkungen vor. Sechs kürzere, bilderlose Teile behandeln dann – verteilt auf 96 Unterkapitel – medizinisch wirksame Naturstoffe: Von laxierenden (II) und stärkenden (III) „Simplicia“ über Früchte, Samen und Wurzeln (IV), Harze (V), Salze und Mineralien (VI) bis hin zu tierischen Produkten (VII). Allen vorgestellten Heilmitteln ist gemeinsam, daß sie zur „vorratspflichtigen“ Grundausstattung damaliger Apotheken gehörten, jedoch auch eigenhändig in der Natur beschafft werden konnten – die vermittelten Kenntnisse vorausgesetzt.

Zu einer buchästhetischen Kostbarkeit macht den Mainzer Herbarius seine konsequent normierte Druckgestaltung von unerreichter Ausgewogenheit: Die pflanzenmonographischen Kapitel sind alle gleich lang, so daß jedes mit genau einer Druckseite auskommt. Auf deren Rectoseite nimmt der Pflanzenholzschnitt – unter einer in Missaltype gesetzten Kapitelnummer – jeweils knapp mehr als die Hälfte der Satzspiegelhöhe ein. Auf die ebenfalls in Missaltype gesetzten lateinischen und deutschen Pflanzennamen, die zugleich Bildunter- und Textüberschrift sind, folgen jeweils ca. zehn erste Zeilen des (kleiner gesetzten) Textes, der sich im weiteren auf gut fünf Sechstel der Versoseite erstreckt. Den Text hat ein unbekannter Kompilator aus mehreren Quellen erstellt: als solche nennt die Forschung den Araber Avicenna ebenso wie Bartholomäus Anglicus, die „Circa instans“ und die Pandekten des Matthäus Sylvaticus.

Bemerkenswert ist auch die graphische Qualität der meisten Illustrationen, die teils jenen der „Circa instans“ verpflichtet sind und vermutlich von einem der drei Schnitzer ausgeführt wurden, die Schöffers zweites Kräuterbuch illustrierten, den deutschsprachigen „Gart der Gesundheit“ (1485). Auf eine Kolorierung hin angelegt, weisen die Schnitte nur selten Schraffuren auf und beschränken sich auf den Umriß. Einzelne Graphiken erzielen einen räumlichen Effekt durch dargestellte Überschneidungen, meist aber ist die Darstellung unnatürlich flächig und läßt vermuten, daß Studien gepreßter Pflanzen als Vorlagen dienten. Manche dimensionale Verformung mag auch der vorgegebenen Sollgröße des Bildes geschuldet sein.

Im Rahmen von vier 1484 erstellten Varianten des Erstdrucks entwickelte Schöffer erstmals auch ein Titelblatt: Buchname sowie Ort und Jahr des Drucks („Maguntie Impressus Anno (et)c llxxxiiij“) erscheinen darauf in Schöffers Mainzer Psaltertype, ergänzt durch das „Allianzsignet“ mit den Handelsmarken der beiden Gesellschafter, das Schöffer seit dem Tode Fusts 1466 alleine führte.

Anderenorts vielfach plagiiert, blieb der Herbarius jahrzehntelang stilbildend für Kräuterbücher: Auf Nachdrucke in Speyer und Louvain (bereits im Erscheinungsjahr) folgten weitere, ggf. mit landessprachlichen Pflanzentiteln, in Passau 1485, Paris 1486, Vicenza 1491, zuletzt in Venedig 1565.

Vollständige Exemplare des Mainzer Erstdrucks – auch „Herbarius Moguntinus“ genannt – sind heute bereits in unkolorierter Form sehr selten. Ein Rarissimum ist der Band aus der Sammlung Christoph Jacob Trews (1695-1769), der dieser CD-Edition zugrunde liegt: komplett, sorgfältig (und vermutlich von einem Zeitgenossen) koloriert, in durchgängig gutem Zustand und nahezu frei von handschriftlichen Marginalien seiner Vorbesitzer.

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